Blutdruck & Medizin

Calciumantagonisten weiten die Gefäße und beruhigen das Herz

Calciumantagonisten hemmen die Gefäß- und Herzmuskulatur. Sie sind meist gut verträglich und werden häufig in Kombination mit anderen Blutdrucksenkern eingesetzt.

Muskelzellen werden von einer Gewebeflüssigkeit umspült, die gelöstes Calcium enthält. Strömen diese Calciumionen in das Innere der Zellen, aktivieren sie die Muskelfasern und lösen eine Kontraktion aus. In Blutgefäßen und dem Herzen lässt sich der Calcium-Einstrom mit Medikamenten verringern: Diese Calciumantagonisten hemmen die Muskelkontraktion und senken den Blutdruck.

Bereits Ende der 1960er entwickelte der Freiburger Arzt Albrecht Fleckenstein das Wirkprinzip der Calciumantagonisten. Sie wurden anfangs häufig verordnet, gerieten aber in den 1990er Jahren aufgrund starker Nebenwirkungen in die Kritik. Nach der Einführung von Varianten, die den Wirkstoff verzögert freisetzen, gehören sie heute wieder zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten.

Der Nutzen – vor allem für die Kombinationstherapie geeignet

Calciumantagonisten senken rasch und verlässlich den Blutdruck. Laut einiger Studien verringern sie auch das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Ob sie jedoch auch andere Folgeerkrankungen und die Sterberate beeinflussen, ist noch nicht endgültig geklärt.

Die wichtigsten Studienergebnisse hat die unabhängige Cochrane-Stiftung im Jahr 2018 zusammengefasst1. Sie analysierte klinische Studien, die mindestens ein Jahr andauerten und zur Kontrolle eine unbehandelte Placebo-Gruppe umfassten. Wenn Calciumantagonisten als einzige Therapieform eingesetzt wurden, verringerten sie tendenziell das Risiko von Schlaganfällen: 34 von 1000 unbehandelten Patienten erlitten einen Schlaganfall, mit Behandlung nur 19 von 1000.

Auch bei Herz-Kreislauf-Problemen senkten Calciumantagonisten die Zahl der Ereignisse von 80 auf 57 pro 1000 Patienten ab. Die Therapie verringerte eventuell auch das Risiko einer koronaren Herzkrankheit und die Sterberate, allerdings waren diese Ergebnisse statistisch nicht signifikant.

Wie wirksam Calciumantagonisten im Vergleich zu anderen Blutdrucksenkern ist, ist ebenfalls noch schwer zu beurteilen. Wenn nur ein einziges Medikament eingesetzt werden soll, sind laut Analyse der Cochrane-Stiftung aber niedrigdosierte Thiaziddiuretika besser geeignet.

Die Europäische Herzgesellschaft empfiehlt seit 2018, bei der Therapie von Bluthochdruck zwei Medikamente zu kombinieren2: Für Calciumantagonisten wäre die gleichzeitige Gabe von AT1-Antagonisten oder ACE-Hemmern sinnvoll. Die Kombination mit Betablockern hingegen kann zu Problemen führen.

Welches Medikament ein Arzt letztlich verschreibt, hängt auch sehr vom Patienten und dessen weiteren Erkrankungen ab. Die meisten Blutdrucksenker haben vielfältige Wirkungen, und so eignen sich Calciumantagonisten auch für die Therapie von koronarer Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen3.

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Der Wirkmechanismus – Blockade von Calciumkanälen

Muskelzellen tragen Proteine auf ihrer Oberfläche, die wie Kanäle wirken und das Calcium ins Zellinnere leiten. Calciumantagonisten, auch Calciumkanalblocker genannt, binden an diese Kanäle und verringern den Einstrom der Ionen. Zwei Arten vom Calciumkanälen beeinflussen auch den Blutdruck: Der L-Typ führt zu einem langanhaltenden Einstrom von Calciumionen, beim T-Typ ist dieser Einstrom nur vorübergehend.

L-Typ-Calciumkanäle steuern die glatte Muskulatur der Blutgefäße. Werden die Kanäle gehemmt, weiten sich die Gefäße und bieten dem Blut weniger Widerstand. Auch im Herzmuskel finden sich L-Typ-Kanäle, deren Hemmung die Schlagkraft des Muskels verringert. Beide Prozesse wirken zusammen und führen zu einer Absenkung des Blutdrucks.

T-Typ-Calciumkanäle hingegen wirken vorwiegend auf zwei Herzregionen, den Sinusknoten und den AV-Knoten. Diese erfüllen eine Schrittmacherfunktion, da sie Erregungszustände erzeugen und weiterleiten. Eine Hemmung der T-Typ-Calciumkanäle führt dazu, dass das Herz seltener schlägt und der Blutdruck sinkt.

Die Arten – Nifedipin und Verapamil

Die Gruppe der Calciumantagonisten umfasst ein gutes Dutzend Wirkstoffe, die in zwei unterschiedliche Typen unterteilt werden: Den Nifedipin-Typ wirkt vorwiegend auf die Blutgefäße, der Verapamil-Typ beeinflussen auch das Herz.

Am häufigsten werden Calciumantagonisten vom Nifedipin-Typ verschrieben4. Dies sind Varianten des Wirkstoffs Dihydropyridin, die vorwiegend an den L-Typ-Calciumkanal binden. Sie wirken hauptsächlich auf die glatte Muskulatur und führen zu einer Weitung der Blutgefäße. Heute werden vor allem sogenannte retardierte Varianten verordnet, die den Wirkstoff langsam über mehrere Stunden hinweg freisetzen5.

Zu dem Verapamil-Typ zählen Wirkstoffe, die auf den chemischen Strukturen von Phenylalkylamin oder Benzothiazepin beruhen4. Diese Medikamente wirken auch auf den T-Typ-Calciumkanal und können den Herzschlag verlangsamen und abschwächen. Sie kommen daher auch bei der Therapie von Herzrhythmusstörungen zum Einsatz.

Risiken und Nebenwirkungen – meist gut verträglich

Calciumantagonisten werden meist gut vertragen, dennoch haben sie wie jedes Medikament auch Nebenwirkungen4,7.

Eher harmlos

Nebenwirkungen, die das Wohlbefinden zum Teil erheblich einschränken, aber nicht lebensbedrohlich oder mit langfristigen Schäden verbunden sind. Unmittelbare ärztliche Maßnahmen sind nur selten erforderlich.

  • Magen-Darm-Beschwerden
  • einem aufsteigenden Wärmegefühl im Gesicht (Flush)
  • Kopfschmerzen (beim Nifedipin-Typ)

Bedenklich

Nebenwirkungen, die bei wiederholtem Auftreten oder langer Dauer mit gesundheitlichen Problemen einhergehen können. In hartnäckigen Fällen Rücksprache mit dem Arzt halten.

  • Schwindelgefühle und Müdigkeit, in seltenen Fällen auch eine kurze Ohnmacht
  • entzündetes oder blutendes Zahnfleisch
  • Wassereinlagerungen in den Geweben, vor allem in Füßen und Unterschenkeln
  • Herzklopfen oder Herzrasen (beim Nifedipin-Typ)
  • Herzschwäche oder verlangsamter Herzschlag (beim Verapamil-Typ)
  • allergische Reaktionen der Haut (beim Verapamil-Typ)

Potenziell lebensbedrohlich

Sehr seltene akute Anfälle, die das Leben gefährden können. Sofort mit einem Arzt oder Notarzt Kontakt aufnehmen.

In seltenen Fällen treten ernsthafte Nebenwirkungen auf, die ein rasches Handeln erfordern:

  • Angina-Pectoris-Anfälle: Schmerzen hinter dem Brustbein, die in andere Regionen ausstrahlen können. Dann unverzüglich den Arzt aufsuchen.
  • Anschwellen von Lippen oder Zunge: Es drohen Atemnot und Erstickungsanfälle, daher unverzüglich den Notarzt alarmieren.

Gegenanzeigen – Vorsicht bei Herzschwäche

Calciumantagonisten vom Nifedipin-Typ senken die Leistungsfähigkeit des Herzens, sie sollten also möglichst nicht bei allgemeiner Herzschwäche eingenommen werden oder wenn innerhalb der letzten vier Wochen ein Herzinfarkt auftrat4.

Vorsicht ist auch geboten, wenn Leber- und Nierenstörungen vorliegen – es kann zu Organschäden kommen.

Eine Kombination mit Betablockern sollte bei Calciumantagonisten vermieden werden: Der Herzschlag kann sich stark verlangsamen, vereinzelt treten auch Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche auf. Ein ähnliches Risiko herrscht auch bei der gleichzeitigen Gabe von manchen Medikamenten gegen Angina pectoris4.

Calciumantagonisten werden, wie viele andere Medikamente auch, in der Leber verstoffwechselt. Dabei besteht die Gefahr, dass sich die Medikamente gegenseitig beeinflussen – die Wirkung könnte verstärkt oder abgeschwächt werden.

Die Kosten – etwa 11 Cent für eine Tagesdosis

Calciumantagonisten müssen vom Arzt verschrieben werden, Patienten zahlen daher nur den gesetzlich vorgeschriebenen Eigenanteil (höchstens 10 Euro). Eine Tagesdosis kostet durchschnittlich etwa 0,11 Euro. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland etwa 2,6 Milliarden Tagesdosen verschrieben, die Gesamtkosten für die gesetzlichen Krankenkassen beliefen sich auf 284 Millionen Euro (0,6 Prozent der gesamten Arzneimittelkosten)6.

Eine Tagesdosis Calciumantagonisten kostet durchschnittlich 0,11 € Eine Tagesdosis Calciumantagonisten kostet durchschnittlich 0,11 €

Kombipräparate, die Calciumantagonisten mit anderen Blutdrucksenkern verbinden, kosten jedoch meist eine Mehrfaches. Diese Präparate werden daher seltener verschrieben, obwohl sie gemäß neuer Richtlinien sehr empfehlenswert sind7.

Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel gibt den aktuellen Stand des Wissens wieder. Er enthält jedoch nur allgemeine Hinweise, die nicht für eine Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung geeignet sind. Einen Arztbesuch kann er auf keinen Fall ersetzen.

Quellen und weiterführende Literatur

  • 1 Wright et al., First-line drugs for hypertension, Cochrane Database of Systematic Reviews 2018 (Link)
  • 2 European Society of Cardiology (ESC), ESC/ESH Guidelines for the management ofarterial hypertension, European Heart Journal 2018 (Link)
alle Referenzen anzeigen
  • 3 Cooper-DeHoff et al., Calcium antagonists in the treatment of coronary artery disease, Current Opinion in Pharmacology 2013 (Link)
  • 4 Stiftung Warentest, Blut­druck­senker im Test: Mit diesen Wirk­stoffen lässt der Druck nach, Stand Februar 2024 (Link)
  • 5 R. Daniels, Herz-Kreislauf-Therapie: Retardiert und kombiniert, Pharmazeutische Zeitung, April 2019 (Link)
  • 6 Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), PharMaAnalyst, abgerufen Februar 2024 (Link)
  • 7 A. Mende, Kombipräparate sinnvoll, aber zu teuer, Pharmazeutische Zeitung, November 2018 (Link)
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